Zur Aufführung der Kantaten 1 bis 3 des Bachschen Weihnachtsoratoriums in der Finkenkruger Kirche. Von einem begeisterten Augen- und Ohrenzeugen

Kürzlich las ich, dass die Zahl der Aufführungen des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach in Hamburg von 3 in der Saison 1952/53, über 11 in 1970/71, 29 in 1990/91 auf 43 in der Saison 2014/15 kontinuierlich angewachsen ist. In anderen deutschen Großstädten dürfte die Entwicklung ähnlich verlaufen sein. Da scheint es fast zwangsläufig, dass nun auch Klein- und Mittelstädte nach-ziehen, wie zum Beispiel Falkensee, wo das Bachsche Weihnachtsoratorium m. W. noch nie erklang.

Um so größer waren Neugier und Vorfreude. Man kann es fast als Stadtgespräch bezeichnen: „Gehst Du auch ins WO?“ Als meine Frau und mein Sohn Sonntag morgen mit dem Bus zur Kirche fuhren, trafen sie einen 17-jährigen Schulkameraden, der fragte: „Na, Samuel, kommst Du heute abend auch zum WO?“ Abends in der Kirche war es dann so voll, dass wir ihn gar nicht mehr gesehen haben. Überhaupt kam nur hinein, wer sich vorher eine Karte besorgt hatte. Spontane WO-Fans mussten draußen bleiben. 250 Karten sollen verkauft worden sein.

Und dann ging es los, und die jahrzehntelang angestaute Vorfreude entlud sich in dem laut von Pauken und Trompeten begleiteten Eingangschor „Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage“. Das war ein Jauchzen und Frohlocken, das wahrlich von innen kam, und in dem sich die unbändige Freude über die Geburt des Herrn mit der Freude über diese Aufführung mischte. Wie da mehr als 50 Sängerinnen und Sänger aus Dallgow und Finkenkrug den Kantor anstrahlten, das war ein Strahlen, das direkt aus der Seele kam.

Aber nicht nur der Eingangschor, alle Chöre und Choräle der drei Kantaten, bis hin zu dem berüchtigt schweren Ehre-Chor und der Chorfuge „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen“ wurden vom Chor sowohl rhythmisch als auch klanglich souverän bewältigt, und ich meine gespürt zu haben, dass dies eben auch an der inneren Beteiligung lag. Unter den Solo-Nummern ragte das Duett „Herr, dein Mitleid“ für Sopran und Bass hervor. Der Tenor war in den Evangelistenpartien gut zu verstehen, hatte aber bei den Koloraturen zuweilen seine Mühe. In dem ca. 20-köpfigen Projektorchester wirkten die Streicher sicherer als die Bläser.

Doch Schluss mit der Einzelkritik. Insgesamt erlebte ich eine tief bewegende Aufführung, die von den Besucherinnen und Besuchern zu Recht mit tosendem Applaus belohnt wurde, der nicht zuletzt den beiden Chorleitern Therese Härtel und Stephan Hebold für die sichere Leitung und monatelange Vorbereitung galt. Ob Stephan Hebold Recht hat, wenn er schreibt, dass die Weihnachtsgeschichte erst durch die Musik von Johann Sebastian Bach einigermaßen begreifbar wird, mögen die beurteilen, die es erlebt haben. Ich will es nicht ausschließen… 

Bernhard Schmidt